Unmittelbar am westlichen Stadtrand von Landau, an einem parallel zur Hans-Boner-Straße verlaufenden und von der Godramsteiner Straße aus leicht zu erreichenden Wirtschaftsweg, liegt der Schwefelbrunnen. Als bedeutendes Natur- und Kulturdenkmal nimmt er unter den historischen Brunnen Landaus einen besonderen Rang ein.
Das über sieben Stufen betretbare sandsteingefasste Halbrund trägt die Jahreszahl 1630 und empfängt den Besucher mit einem intensiven Schwefelgeruch, der an faule Eier erinnert. 2007 auf Initiative des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) saniert, präsentiert sich die Anlage jetzt in neuem Glanz. Seither informiert auch eine daneben aufgestellte Sandsteinstele über die Geschichte der Quelle, die in der Heilpraxis breiter Volksschichten Jahrhunderte lang eine große Rolle gespielt hat.
In einem wichtigen Detail sind die Angaben der Stele missverständlich. Sie nennt zwar das Jahr 1473 als Datum des frühesten „Nachweises“, schränkt aber ein, dieses sei „nicht belegt“. Gemeint ist wohl, dass ein schriftlicher Quellenbeleg nicht oder nicht mehr vorhanden sei. Das ist aber durchaus der Fall, und zwar in Form der Abschrift einer Urkunde in einem Kopialbuch aus dem frühen 16. Jahrhundert im Landauer Stadtarchiv. Darin erfährt man, dass zwei Landauer Bürger von ihren dort gelegenen Gärten einen fünf Schuh breiten Gang für die Bewohner des außerhalb der Stadt bei der Kapelle St. Justin (vgl. „Im Justus!“) gelegenen „Gutleuthauses“ schenkten, um diesen den ungehinderten Zugang zu dem als heilkräftig angesehenen Quellwasser zu ermöglichen. Der Weg sollte vom Stadtrat am Eingang mit einem Haspel versehen und beiderseits durch einen Zaun begrenzt werden, damit die Kranken nicht durch Fuhren belästigt würden. Die Stifter handelten nicht ganz uneigennützig: Mit ihrer Schenkung wollten sie nach mittelalterlichem Brauch etwas für ihr Seelenheil tun, denn der Geistliche des Gutleuthauses wurde im Gegenzug verpflichtet, alljährlich an den vier Fronfasten in der Kapelle eine Seelenmesse für die Familien der beiden Bürger zu lesen. Zusätzlich hatten die Insassen des Gutleuthauses drei Paternoster und Avemaria für die Seelenruhe der Stifter zu beten. Festzuhalten ist also, dass nachweislich schon im Spätmittelalter die aus Seuchenschutzgründen im außerhalb der Stadtmauern gelegenen Gutleuthaus untergebrachten Kranken den Schwefelbrunnen aufsuchten, weil sie auf die heilende Wirkung seines Wassers vertrauten.
Das änderte sich auch in späteren Jahrhunderten nicht, im Gegenteil, der Schwefelbrunnen scheint als Heilquelle sogar noch populärer geworden zu sein, wie ein 1715 in Worms gedrucktes Büchlein mit dem barock klingenden Titel Alma proles Neptunia Landaviae benigne prosiliens, d. i. höchst angenehmer und ersprießlicher Gesundbrunnen zu Landau beweist. Verfasser war der Landauer Stadtphysikus Arnoldi, der sein Werk „denen hoch- und wohledlen / hoch- und wohlgelehrten / fürsichtig hoch- und wohlweisen Schultheißen / Bürgermeistere / Marschallen und Räthen der Stadt Landau / Meinen besonderen Gönnern und Patronen“ widmete. Arnoldi rühmt die Heilkräfte des „mineralisch gesunden und herrlichen“ Schwefelbrunnens und zählt diesen „zu den hin und wieder in Europa bekannten vortrefflichen Bädern“. An längere Ausführungen über die Anwendung des Heilwassers schließt sich eine Aufzählung zahlreicher Krankheiten an, die nach Auffassung des Autors sämtlich mit demselben therapiert werden können: „Herbey! ihr Keichende und auff der Brust Gefesselte, ihr werdet hier gute Luft und Atem schöpfen. Herbey! alle die von Gicht, Podagra, Grieß, Stein, skorbutischen Flüssen, Venus-Beulen, bösen Grind, Aussatz oder sonsten schmertzhafft gemartert und zu sagen gefoltert werden, ihr findet hier den zuversichtlichen Ancker wider den Sturm eurer Schmertzen. Herbey! Die ihr Junonem oder Venerem selbsten vor diesem representirt habt und nunmehro durch Überschreitung der Lebens-Regulen bleich, gelbsüchtig worden, es wird diese liebliche Tochter Neptuni zierlich abwischen, wessen ihr euch blödet und betrübet. […] Ja! ich entblöde mich nicht, zu dem Brunnen einzuladen, die anderstwo ohne Trost und Hülffe sich befinden […] Also gar gedeyet unsere belobte Proles Neptunia auch in widerspenstigen Fiebern, Kindes-Blattern und grassirenden Seuchen und manch zweifelhaffter Kranckheit zu einem erwünscht-erfreulichen Ende.“ Der Physikus versäumt nicht, vor unsachgemäßer Anwendung des Schwefelwassers zu warnen: „Duo cum faciunt idem, non est idem [Wenn zwei das gleiche tun, ist es nicht dasselbe], zwischen einem Hippocratischen Affen, unbefugten Idioten und Schmierer und einer soliden Realität ist ein Unterschied.“ Schließlich räumt er ein, dass in manchen Fällen keine Medizin mehr helfen kann: „Fürn Todt ist kein Kraut gewachsen, wann die dem Menschen von Gott bestimmte Zeit vorbey und die Lebens-Uhr abgeloffen, so hilfft nichts davor, wir müssen an den Reihen.“ Die Auszüge vermitteln einen Eindruck von der epochentypischen Diktion des Werkes, die frühere Generationen abwertend als „barocken Schwulst“ bezeichnet hätten. Unabhängig von solchen Stil- und Geschmacksfragen handelt es sich bei dem Büchlein aber unstreitig um ein wertvolles medizinal- und kulturgeschichtliches Dokument der Zeit um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert.
Für den Historiker interessanter sind Arnoldis Bemerkungen zur Geschichte des Schwefelbrunnens. So berichtet er, die heilende Wirkung des Quellwassers sei „lang vor hiesiger Fortification bey Manns Gedenken [d.h. seit Menschengedenken] bereits bekannt gewesen.“ Die Tatsache, dass der Brunnen schon lange vor der 1688 bis 1691 erfolgten Umgestaltung Landaus zu einer modernen Festung als Heilquelle genutzt worden war, dient dem Stadtphysikus als Argument gegen den damals wohl verbreiteten Volksglauben, Geruch und Geschmack der Quelle rührten von „in Belagerungs-Zeiten gefallenen Bomben und begrabenen Menschen-Cörpern“ her, seien also „mumialisch“. Offensichtlich hatten die 1715 nur wenige Jahre zurückliegenden vier Belagerungen Landaus während des Spanischen Erbfolgekrieges (1702, 1703, 1704 und 1713) bei den Zeitgenossen einen starken Eindruck hinterlassen.
Darüber hinaus berichtet Arnoldi als Augenzeuge von Erschließungsarbeiten an der Quelle, die in den Jahren nach 1700 durchgeführt worden waren. Ein genaues Datum nennt er nicht; am wahrscheinlichsten ist ein Zeitpunkt nach dem Ende der letzten (vierten) Belagerung, die vom 6. Juni bis zum 20. August 1713 gedauert hatte. Der evangelische Pfarrer Breiden, auf dessen Grund der Brunnen lag, hatte diesen in großzügiger Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wofür ihm der Autor großes Lob spendet. Dann ist von umfangreichen Erd- und Fassungsarbeiten die Rede: „Bey Excolirung [Erschließung] dessen hat sich Herr Senior [Breiden] zu seinem beständigen Ruhm sonderlich [im Sinne von: besonders] sorgfältig erwiesen, da man den Grund und Letten räumlich auffgehoben und rein ausgestochen, eines ziemlichen Stockwerks tieff unter dem Boden biß auf einen Felsen, über deme zwölff Quellen perpendiculariter oder Senkrecht über sich stossende eine Menge des reinesten Cristallhellen Wassers von sich geben, die mit einem feinen Rost beleget und dem besten Holz gefasset ad interim verwahret liegen und durch zwey Röhren überflüssig Wasser beständig außwerffen […]“ Wenn die hier beschriebenen Arbeiten tatsächlich so durchgeführt wurden, und der Autor hätte sie aus nahe liegenden Gründen kaum stark übertreibend darstellen oder gar erfinden können, so ergibt sich daraus zwingend, dass die Quelle damals vollständig neu gefasst wurde. Dafür spricht auch die (heute verschwundene) lateinische Inschrift, die in Arnoldis Werk mit deutscher Übersetzung abgedruckt ist und die im Bereich des Brunnens angebracht wurde (Inscriptio Neptuniae Prolis).
Der Bericht des erfreulich mitteilsamen Stadtphysikus passt freilich schlecht zu der noch heute an der Brunnenanlage sichtbaren Jahreszahl 1630. Da das Ratsprotokoll dieses Jahres fehlt, lässt sich nicht sagen, ob dort zu diesem Zeitpunkt Arbeiten ausgeführt wurden; vorstellbar ist immerhin, dass man zu Beginn des 18. Jahrhunderts Teile einer älteren Fassung wiederverwendete.
Ein gutes Jahrhundert später war die Brunnenanlage dann so sehr in Verfall geraten, dass man eine gründliche Sanierung ins Auge fassen musste. Im Budget der Gemeinde Landau für das Jahr 1825 wird für seine Wiederherstellung der Betrag von 197,27 Gulden veranschlagt. Die Notwendigkeit dieser Ausgabe wird in den Akten damit begründet, dass die Quelle nicht nur für Kurzwecke, sondern auch „zum gewöhnlichen Gebrauch der Feldarbeiter“ genutzt wurde. Der Auftrag wurde per Mindestversteigerung an den Bauunternehmer Martin Weigandt vergeben, der der Stadt Landau dann allerdings 308,16 Gulden in Rechnung stellte, wodurch das Stadtsäckel 1826 mit außerordentlichen Mehrkosten in Höhe von 111,19 Gulden belastet wurde. Möglicherweise wurde das terrassierte Halbrund samt den zur Quelle hinabführenden Stufen erst im Zuge dieser „Wiederherstellung“ geschaffen; mit Sicherheit lässt sich das aber nicht mehr feststellen.
In den 1950er Jahren rückte der Schwefelbrunnen noch einmal in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Damals gab es Bestrebungen, an die Jahrhunderte lang praktizierte Nutzung der Quelle für medizinische Zwecke anzuknüpfen und die heilende Wirkung ihres Wassers durch naturwissenschaftliche Untersuchungen beglaubigen zu lassen. Das von Oberregierungs- und Medizinalrat Dr. Schnelle, Leiter des Balneologischen Instituts der Universität München, im Juni 1957 erstellte Gutachten setzte den Träumen von einem Staatsbad aber ein rasches Ende: Zu „Bad Landau“ ist es nicht gekommen, allen seit dem frühen 18. Jahrhundert unternommenen Anstrengungen zum Trotz.
Abschließend sei noch bemerkt, dass der Landauer Brunnen keineswegs die einzige natürliche schwefelhaltige Quelle in der näheren Umgebung ist. Bereits Arnoldi berichtet in seiner Schrift von einem zu Vergleichszwecken unternommenen Besuch bei der Edenkobener Schwefelquelle, wo man denn auch ähnliche Bodenverhältnisse vorfand und feststellte, dass sich das dortige Wasser in Geruch und Geschmack kaum vom Landauer Pendant unterschied. Weitere Brunnen nennt Daniel Häberle in seinem 1912 erschienenen Werk über die Mineralquellen der Rheinpfalz. Damals gab es Schwefelquellen in Insheim (Gewann Bugenhöhe), in Herxheim (südlich der Straße nach Rohrbach), in Ilbesheim (im Haus Nr. 145), in Hainfeld (mehrere in der Kreuzgasse), in Roschbach (Hauptstraße), in Edesheim (westlich des Dorfes im Schulacker) sowie bei Büchelberg. Keine hat jedoch in früherer Zeit eine dem Landauer Schwefelbrunnen vergleichbare Rolle gespielt.
Harald Bruckert 5.4.2018